Gemüseretter*innen Abo

 
 
 
  • Der Lebensmittelvertrieb in der Schweiz wird durch ein Duopol der beiden wohlbekannten Grossverteiler regiert. Knapp 80 Prozent des in der Schweiz produzierten Bio-Gemüses wird über ihre Kanäle verkauft (Quelle). Um über diese Kanäle verkaufen zu können, müssen Produzent*innen meist grosse Zwischenhändler*innen beliefern. Für Bio-Gemüse gibt es seit 2017 nur noch eine Zwischenhändlerin, die Alliance Suisse Bio AG. Diese entstand aus einem Zusammenschluss von Rathgeb Biolog AG, der grössten Bio-Gemüseproduzentin der Schweiz und der Terraviva AG, einer grossen Vermarktungsplattform. Einige Bäuer*innen nehmen an, dass es bei der Zwischenhändlerin regelmässig zu Preisabsprachen mit den Grossverteilern kommt und vermuten kartellähnliche Zustände (Quelle). Diese bestreitet die Vorwürfe es ist jedoch klar, dass die Gemüse Produzent*innen sich in einer zermürbenden Abhängigkeit von den Grossverteilern und den Zwischenhändlerin befinden. Sie stehen unter ständigem Preisdruck und haben keine Abnahmeverträge oder -garantien. Dieser Druck wird nach unten weitergeben und es werden migrantisierte Erntehelfer*innen zu schlechten Arbeitsbedingungen (Quelle) angestellt und dem Boden wird nicht genügend Sorge getragen. Gleichzeitig erwirtschaften die Grossverteiler Profit mit den von ihnen produzierten Lebensmitteln.

    Auf der Webseite von Quali Service sind die Schweizerischen Qualitätsbestimmungen für Gemüse festgehalten. Für jedes Gemüse gibt es Mindestanforderungen, besondere Bestimmungen, Grösse, Toleranz, Gleichmässigkeit und Kennzeichnung. Nach diesen zu einem grossen Teil äusserlichen “Qualitäts”-Bestimmungen wird das Gemüse aussortiert (Beispiel Gurken, Karotten). Solche Normen, wie die Kalibergrössen werden genutzt, um das Angebot zu regulieren. Dies zeigt sich im ersten Corona-Lockdown, als die Normen – hauptsächlich die Kalibergrössen – gelockert wurden, weil Importkontingente wegfielen und die Nachfrage der Gastronomie sehr klein war (Quelle). Je mehr verfügbar ist, desto strenger sind die geforderten Normen. So kann die Alliance Suisse Bio AG auch in einem guten Jahr mit grosser Ernte nur soviel abnehmen, wie sie verkaufen kann und der Rest “entspricht nicht den Normen” und landet direkt in der Biogasanlage, bleibt auf dem Feld liegen oder wird zu Tierfutter.

    Die Alliance Bio Suisse AG plant absichtlich immer eine Überproduktion mit ein. So versuchen sie sicherzustellen, dass auch bei einer schlechten Ernte die abgemachten Mengen an die Grossverteiler geliefert werden können und sie keine Konventionalstrafen bezahlen müssen. In einem erntereichen Jahr wälzt Alliance Suisse Bio so alle Überschüsse auf die Produzent*innen ab. Ihr Gemüse wird als nicht der Norm entsprechen kategorisiert und kommt nicht in die Grossverteiler. Wie die Arbeit und Investitionen bezahlt werden, die notwendig waren, um die tonnenweise Gemüse zu produzieren, welche nicht zum verkauf angeboten werden, bleibt alleinig das Problem der Produzent*innen. Verlierer*innen sind also immer die Landwirt*innen, welche viel Arbeit in den Anbau, die Kulturpflege und die Ernte gesteckt haben und grosse Verluste machen, wenn ihnen die Einnahmen für einen Teil oder auch die ganze Ernte fehlen. Aus Sicht der Zwischenhändlerin und Grossverteilern läuft dies alles jedoch rechtens ab, denn in der Landwirtschaft gibt es keine schriftlichen Abnahmeverträge, an die man sich halten müsste.

    Mit der Klimakrise werden zudem die bestehenden Ungerechtigkeiten verstärkt. So werden Hitzesommer, Dürren und Überschwemmungen auch in der Schweizer Landwirtschaft zu Normalität. Wenn es zu Ernteausfällen oder besonders grossen Ernteerträgen kommt, brechen die Preise zusammen und die Produzent*innen müssen noch mehr Verluste in Kauf nehmen. Dieser immer steigende Druck und das Risiko, dass der Anbau birgt, bringt viele Höfe dazu, um’s Überleben kämpfen zu müssen. Die (Klein-)Bäuer*innen, welche keine solidarischen Strukturen und Netzwerke aufbauen konnten, die ihnen eine Direktvermarktung unabhängig der Grossverteiler ermöglichen und ihnen auch in Krisen Sicherheit geben können, werden über kurz oder lang von grösseren industriellen Betrieben aufgekauft.

    Unser heutiges Ernährungssystem ist alleinig auf Profit ausgerichtet und kann nur auf zerstörerische Weise in unserem kapitalistischen System funktionieren. So sind es auch nicht alleinig die Grossverteiler und Zwischenhändler*innen, welche Schuld an dieser Überausbeutung von Bäuer*innen und Böden tragen, sondern das System dahinter, welches sie zwingt so zu handeln. Wir möchten dem nicht länger untätig zuschauen, sondern es selbst in die Hand nehmen und gemeinsam mit Landwirt*innen und euch Veränderung bewirken!

  • Die Menge an Bio-Gemüse, das in der Biogasanlage landet oder als Tierfutter deklassiert wird, ist unserer Meinung zu gross! Mit unserem Gemüseretter*innen Abo versuchen wir dagegen anzuhalten und bringen so 4-10 Tonnen Gemüse, welches über ander Vermarktungskanäle kaum verkauft werden kann, auf den Teller!

    Uns ist bewusst, dass wir mit dem Gemüseretter*innen Abo das Ernährungssystem nicht revolutionieren werden. Wir versuchen einerseits Landwirt*innen, in ihrer schwierigen Situation zu unterstützen und andererseits ihnen das Gemüse abzunehmen, das überschüssig ist oder nicht der Norm entspricht. Dadurch bringen wir der geleisteten Arbeit den Landwirt*innen, Feldarbeiter*innen und der Natur Wertschätzung entgegen. Dass wir dadurch nach wie vor den Regeln des heutigen profitorientierten Ernährungssystem ausgeliefert sind und wir dieses zum Teil sogar stützen, ist uns durchaus bewusst. Wir versuchen diese Widersprüchlichkeit regelmässig aufzuzeigen. Wenn wir unser Ernährungssystem demokratisch und sozial verträglich organisieren möchten, dann verlangt dies einen tiefgehenden Wandel, der nicht von heute auf morgen geschieht, sondern einen Schritt nach dem anderen verlangt. Wir möchten mit unserem Gemüseretter*innen Abo einen solchen Schritt machen und zur Sensibilisierung beitragen.

  • …für die Arbeit, die hinter der Produktion von Gemüse (und Lebensmittel im Allgemeinen) steckt. In unseren Köpfen sollte präsent sein, wie Gemüse hergestellt wird und wie viel Arbeit und Zeit, besonders in einer nachhaltigen oder regenerativen Anbauform, dafür aufgewendet wird. Wir möchten die Verbindung zwischen der Landwirtschaft und den Konsument*innen stärken! Das heisst, wir pflegen einen engen Kontakt zur Landwirtschaft und versuchen diese Beziehung auch zu den Gemüseretter*innen aufzubauen.

    …für krummes Gemüse, denn die Natur ist keine Maschine, die man nach seinen Bedürfnissen programmieren kann und immer in den gleichen Grössen und Formen produziert. Es ist abhängig von vielen Umweltfaktoren, wie das Gemüse wächst und ob es besonders gross, klein oder krumm wird. Auch ist es normal, dass das Gemüse mal eine Narbe oder abgeheilte Frasspuren hat. Das äusserlich immer “perfekte” Gemüse in Grossverteilern entspricht nicht der Realität, wie Gemüse heranwächst, sondern ist das Ergebnis einer Vorsortierung. Wir möchten keine strikten Gemüse-Normen, nach denen Gemüse vorsortiert wird! #gmüesmusschrummsi

    …für die inneren Werte des Gemüses – den Geschmack – statt den der Norm entsprechenden äusseren Werten. Der Schwerpunkt beim Gemüseanbau in der industriellen Landwirtschaft, liegt heutzutage nicht auf einem tollen Geschmack, sondern auf einer einheitlichen Grösse und Form des Gemüse.

    …für die Saisonalität von Gemüse. Durch das Einkaufen in Grossverteilern ist es schwierig überhaupt noch zu wissen, wann was Saison hat. Denn egal ob lokal produziert oder importiert, es ist fast alles fast immer und sicher auch ausserhalb der natürlichen Saison verfügbar. Wir möchten, dass Gemüse wieder mehr gegessen wird, wenn es Saison hat. Dies bedeutet auch, wenn in der Saison viel einer Gemüsesorte verfügbar ist, viel davon zu essen und einen Teil durch Einmachen (fermentieren, einkochen oder einlegen) oder Einfrieren auch für andere Jahreszeiten haltbar zu machen.

    …für die Böden. Die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf die Umwelt und speziell den Boden sind massiv. Die Landwirtschaft sollte darauf ausgerichtet sein, Boden zu regenerieren und nicht darauf ihn für Profit zu erwirtschaften. Für Klimagerechtigkeit einzustehen, bedeutet auch CO2 im Boden zu speichern statt es durch industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, offenen Böden und Pestizideinsatz in die Atmosphäre freizusetzen. Ein gesunder Boden ist die Grundlage für ein gesundes Leben.

  • Mit diesem Wissen und dem daraus entstehenden Bewusstsein, möchten wir den Menschen die das Gemüse anbauen mehr Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen.

    Dies bedeutet für uns bessere Arbeitsbedingungen für in der Landwirtschaft arbeitende Personen, denn die Arbeit in der Landwirtschaft ist mit sehr schlechten Arbeitsbedingungen verbunden. Vor allem der Bio-Gemüseanbau ist stark abhängig von migrantisierten Erntehelfer*innen die nur für eine gewisse Zeit in die Schweiz kommen, für einen sehr tiefen Lohn arbeiten und stark ausgebeutet werden. Da die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft nicht im gesamtschweizerischen Arbeitsgesetz geregelt sind, gibt es nur kantonale Richtlinien, die sich sehr stark unterscheiden und oft nur Empfehlungen beinhalten.

    Es bedeutet für uns ebenfalls, dass Produzent*innen gute Wertschöpfung für das produzierte Gemüse (und Nahrungsmittel im Allgemeinen) bekommen. Die Wertschöpfung ist für Produzent*innen höher, wenn sie einen möglichst grossen Teil der Ernte als Nahrungsmittel verkaufen können. Wenn es den Tieren verfüttert wird, auf dem Feld bleibt oder in der Biogasanlage ist diese sehr tief, was nicht der grossen Arbeit die reingesteckt wurde entspricht. Wir finden auch Gemüse mit kleinen Mängel kann und sollte noch gegessen werden, auch wenn dies manchmal einen Mehraufwand beim Rüsten mit sich bringt. Gemüse sollte unserer Meinung nach nicht nur als Konsumobjekt angeschaut werden, sondern als Wert unserer Lebensqualität. Denn Nahrungsmittel sind lebensnotwendig.

    Praktisch bedeutet dies für uns, dass wir den Bäuer*innen Gemüse abnehmen, welches sie über übliche Verkaufskanäle kaum oder gar nicht verkaufen können. Denn hinter jedem Gemüse, egal wie krumm, gross oder angefressen es ist, steckt die gleiche Arbeit. Diese Arbeit verdient Wertschätzung, denn ohne sie könnten wir nicht leben!

    Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Verantwortung ein nachhaltiges Ernährungssystem aufzubauen. Gelebte Solidarität heisst auch selber anzupacken (zum Beispiel bei von uns organisierten Hoftagen) oder sich einfach etwas mehr Zeit zu nehmen um Lebensmittel haltbar zu machen oder zu Rüsten.